To Tell is to Sell

Wie Sie Ihren Kunden mit einer guten Story überzeugen

Der Mensch hat sich seit Anbeginn der Geschichte Storys erzählt, da in diesen Storys die Praktiken des Überlebens in einer feindlichen Welt gespeichert waren. Darum werden Storys im Gehirn automatisch als wichtig kategorisiert und es kommt selten vor, dass wir nicht zuhören, wenn uns jemand eine spannende Story erzählt. Wobei wir hingegen schnell auf Durchzug schalten, wenn uns ausschließlich langweilige Fakten ohne Zusammenhang präsentiert werden. Insbesondere in der Finanzwelt, wo die Produkte abstrakt, nicht greifbar, schwer zu erklären und auf den ersten Blick scheinbar nutzlos wirken, kann eine gute Vertriebsstory helfen, Produkte greifbarer zu machen.

Warum Storys funktionieren

„Fachidiot schlägt Kunden tot“, heißt eine alte Weisheit in der Finanzwelt. Auch wenn der Kunde zu recht über alles Bescheid wissen möchte, kann es auch kontraproduktiv sein, wenn Sie ihn mit Fakten erschlagen. Krimiautoren und Hollywood-Filme tun dies auch nicht, sondern servieren die Leckerbissen häppchenweise. Produktnamen wie „Rainbow Barriere Euro Stoxx 50 Bonus Zertifikat“ tragen dabei auch nicht gerade zu größerer Klarheit bei. Und so neigen nach wie vor viele Vermögensberater dazu, den Kunden mit Informationen zu überfrachten, anstatt eine spannende Story zu ihren Produkten zu erzählen. Weil wir glauben, dass Masse Klasse ist. Und nicht glauben, dass weniger mehr sein kann.

Aber wenn Sie in einem Restaurant sitzen würden, was würden Sie lieber essen: Ein Steak oder gleich eine ganze Kuh? Wahrscheinlich das Steak, auch wenn Sie mit der Kuh darüber hinaus noch das Fell, die Hörner, die Hufen, eventuell Milch und was noch alles dazu bekommen würden. Gute Vertriebler servieren ihre Produktvorteile ebenfalls häppchenweise. Sie haben von Krimiautoren gelernt, dass man Spannung nur dadurch aufbaut, indem man nicht auf der ersten Seite schreibt, dass der Mörder der Gärtner ist. Und Sie wissen, dass besonders abstrakte und nicht greifbare Finanzprodukte immer eine gute Story brauchen, um für den Kunden verständlich zu sein.

Die erste Begegnung:

Nebenjob im Finanzvertrieb

Meine erste Begegnung mit angewandtem Storytelling, also mit Storytelling in der Wirtschaftswelt, hatte ich nicht in einem Literaturseminar im Rahmen meines Anglistikstudiums oder beim Lesen von klassischen Texten. Sondern dort, wo man es nicht unbedingt erwarten würde. Wo aber die Notwendigkeit, Geschichten zu erzählen, darüber entscheidet, ob man Geld verdient oder nicht. Denn während meines Studiums arbeitete ich als Berater in einem Finanzvertrieb. Die Berater dort waren gute Storyteller: Sie nahmen dem Kunden die Angst vor der Aktie, indem sie den gesamten Tagesablauf des Kunden in einer Art Customer Journey skizzierten und zeigten, dass jeder doch immer mit Produkten zu tun habe, die von Aktiengesellschaften kommen. Der Wecker, der klingelt, ist von einer Aktiengesellschaft, das Toastbrot, das der Kunde isst, die Zeitung, die er liest, das Auto, mit dem er zur Arbeit fährt, und so weiter. Wenn überall Aktiengesellschaften waren, konnte die Welt wohl ohne Aktiengesellschaften nicht existieren. Also würde es diese AGs auch noch eine Weile geben. Was deren Aktien zu einer durchaus guten Anlagemöglichkeit machte.

Diese Art von Storys, die einen komplexen Sachverhalt nachvollziehbar machen, haben mich schon damals fasziniert. Auch wenn man hier ganz klar zwischen Storytelling und Fairytelling unterscheiden muss. Eine gute Story hält, was sie verspricht. Fairytelling aber verspricht das Blaue vom Himmel. Und ist daher nicht nachhaltig. Fakt ist und bleibt aber: Je abstrakter ein Produkt ist, desto besser muss die Story sein.

Warum funktionieren Storys?

Unternehmen müssen in einer überkommunizierten Welt hörbar, sichtbar und damit differenzierbar bleiben. „Keine Spezies kann koexistiern, wenn sie dasselbe Biotop bewohnt“, sagte Charles Darwin. „Keine zwei Unternehmen können überleben, wenn sie in einem identischen Markt genau das gleiche zu gleichen Konditionen anbieten“, sagte Bruce D. Henderson, der Gründer der Boston Consulting Group. Die Frage, ob man Erster oder Größter, Anführer oder Nachläufer, Zukunft oder Geschichte, lebend oder tot ist, entscheiden keine bunten PowerPoint-Präsentationen und kryptischen Mission Statements, die auf irgendwelchen Company-Offsites inmitten von Rotweinschwenken und Teambuilding-Kletterübungen ausgeheckt werden. Wie das Unternehmen im Kopf des Kunden wahrgenommen wird, entscheidet einzig und allein der Kunde. Und dieser Kunde entscheidet auch, ob er Ihr Produkt kaufen will oder nicht. Oft wird in letzter Zeit vom „Postfaktischen“ erzählt. Postfaktisch waren Kunden schon immer. Denn wie uns auch die Philosophen und Hirnforscher lehren, gibt es keine absolute Realität, sondern nur die subjektive Wahrnehmung der einzelnen. Wenn der Kunde also meint, dass er Ihr Produkt nicht braucht, wird es nichts daran ändern, wenn Sie meinen, dass er das Produkt doch braucht. Sie müssen mit einer starken Story in den Kopf des Kunden kommen und dort mit einer guten Story beweisen, welchen Schurken in der Story Sie mit ihrem Produkt besiegen. Sei es das niedrige Zinsumfeld, die höhere Lebenserwartung, die Vorsorge für die berufsfreien Jahre, die Rentenlücke, die Volatilität oder auch nur die Möglichkeit, jemanden zu haben, der sich mit dem ganzen Finanzkram besser auskennt als der Kunde und der dem Kunden auf diese Weise Arbeit abnimmt.

Das schlechte Image, das viele Unternehmen, insbesondere Banken, nach der Krise haben, macht es notwendig, auch dem „Normalbürger“ einmal klar, deutlich und einprägsam zu erklären, „was man da eigentlich macht.“ Denn das ständige nachträgliche Brandlöschen von Imageschäden und das defensive Beruhigen der Öffentlichkeit sind dem Unternehmenserfolg sicherlich weniger zuträglich als eine proaktive und pointierte Kommunikation.

Durch Storys haben wir uns seit der Steinzeit unsere Überlebenspraktiken in einer feindlichen Welt erklärt. Wie man das Mammut besiegt, wie man dem Säbelzahntiger ausweicht und wie man das Feuer in der Höhle nicht ausgehen lässt. Unser Gehirn ist dabei nicht nur eine Speichereinheit. Es ist auch ein Mechanismus, der unser Überleben sichert. Darum weiß das Gehirn: Wenn Storys erzählt werden, erfahre ich etwas, wodurch ich in einer feindlichen Welt überleben kann. An Überlebenshinweise in Power Point kann sich unser Gehirn nicht erinnern. Denn Storys schaffen Bilder, Bilder schaffen Emotionen und Emotionen schaffen Veränderungen. Storys sind die Art und Weise, wie wir uns die Realität erklären. Die ganz wichtigen Dinge werden in unserem Gehirn von der Amygdala (auch genannt Angstzentrum) verarbeitet. Dies ist sozusagen der Vorstandschef des Gehirns. Klar ist, dass dort alle hinwollen. Klar ist auch, dass dort – wie bei einem richtigen CEO – nicht alle hinkönnen. Darum hat die Amygdala nicht nur eine Vorzimmerdame, sondern gleich einen beinharten Türsteher, den Hypothalamus. Und der winkt lieber Storys durch als faktenschwangere und trockene Datenwüsten. Power- Point-Charts und Zahlenkolonnen gehören zu diesen unerwünschten Gästen. Erzählen Sie hingegen eine gute Story, kommen Sie am Türsteher im Gehirn vorbei und haben die volle Aufmerksamkeit des CEOs des Gehirns.

Warum sind Sie der Richtige? Ihre Absenderstory

Unser Gehirn hat sich – das haben Hirnforscher herausgefunden – seit rund 70.000 Jahren nicht verändert. Was dazu führt, dass unser Gehirn Storys immer noch als wichtigste Informationsquelle ansieht. Schließlich haben wir durch die Hinweise in Storys in einer feindlichen Welt überlebt. Gehen wir gleich mitten ins Story- Geschehen! Gehen wir nicht 70.000, sondern nur 20.000 Jahre zurück in die Vergangenheit und hören uns eine dieser Geschichten von einem unserer Vorfahren an:

Ich, der Held der Geschichte, ging durch einen dunklen Wald. Ich wollte eines der Mammuts erlegen, die normalerweise jenseits der Lichtung in einer Herde grasen.

Das ist der Beginn der Geschichte. Die Situation.

Doch dann hörte ich plötzlich das Knurren des Säbelzahntigers hinter mir.

Das ist der Konflikt, der beginnende Spannungsbogen. Man könnte auch dramatisch sagen: Das Desaster. Und spätestens jetzt sind unsere 20.000 Jahre alten Vorfahren in ihren Höhlen eng zusammengerückt. Und wollten wissen: „Wie geht es weiter? Wie bist du da wieder herausgekommen?“

Doch dann fiel mir wieder diese große Lichtung ein, wo immer die Mammuts herumlaufen.

Der Held hat eine Idee. Etwas, was die Handlung ändert, was dafür sorgt, dass unser Steinzeitmensch nicht gefressen wird; wurde er ja auch nicht, sonst könnte er nicht die Geschichte erzählen. Das ist der Wendepunkt.

Und … ich hatte Glück! Es gelang mir, den Tiger in die Mammutherde hinein zu locken. Er war weg. Und ich konnte sogar noch ein Mammut erlegen. Und wir hatten für vier Wochen genug zu essen in der Höhle!

Das ist das Happy End.

Abgesehen davon, dass unser steinzeitlicher Freund seinen Freunden und Verwandten eine unterhaltsame Zeit beschert hat – Fernsehen, Facebook und Dschungelcamp gab es ja damals noch nicht – er hat ihnen auch eine optimale Herangehensweise an ein Problem, heute würde man sagen ein best practice des Überlebens, mit auf den Weg gegeben. Der nächste, der in dem Wald von einem Säbelzahntiger gejagt wird, kommt dann vielleicht auch sofort auf die Idee mit den Mammuts und rettet auf diese Weise sein eigenes Leben.

Und wenn Sie ein Steinzeitmensch wären, der Ihnen in der Steinzeit eine solche Geschichte erzählt: Sie würden doch diesen Menschen auch gerne mit auf der Jagd dabei haben, oder nicht? Er hat sich durch diese Story als hilfreicher Gefährte in einer feindlichen Welt erwiesen, auf den man in Zukunft ungern verzichten würde. Und seine „Absenderkompetenz“ für die Mammutjagd hat er nicht durch irgendwelche Bullet Points auf einem Lebenslauf präsentiert, sondern durch eine packende Geschichte mit dem Vierklang Situation, Desaster, Wendepunkt und Happy End.

Geändert hat sich daran bis heute nicht viel. Die Mammuts könnten die Rendite sein, die Säbelzahntiger die Volatilitäten an den Märkten und der Steinzeitmensch, der all diese Situationen meistert und dem man vertrauen kann, ist der perfekte Vermögensberater. Und idealerweise übermitteln Sie diese War Story über Ihr Produkt auch mündlich und nicht nur in Form von schwer verdaulichen Charts.

Und ohne Story?

Sie können natürlich auch auf Storytelling verzichten. Was aber dazu führen kann, dass die Differenzierung nur über den Preis stattfindet. Und das heißt: Der Billigere gewinnt. Und das heißt am Ende für die Bank: Weniger Marge und weniger Geld! Denn es gilt: Entweder Sie haben eine gute Story, oder Sie haben einen niedrigen Preis. Oder noch kürzer: Wenn Sie nicht anders sind, dann seien Sie besser billig! Wenn Sie etwas Besonderes sein möchten, müssen Sie sich differenzieren. Und das geht eben am besten über die Story. Wenn Sie also ein gutes Produkt haben, ist es fast fahrlässig, keine gute Heldengeschichte über dieses Produkt und Sie selbst als Vertriebsexperten zu erzählen. Dann wird Storytelling vom nice to have zum must have. Und Storytelling wird etwas, mit dem Sie richtig Geld verdienen können. Dann wird Story zur $tory. Denn es gilt: To Tell is to Sell!